Totalitarismus: Unterschied zwischen den Versionen

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  An diesem Punkt kann man es nicht unterlassen, ein Problem anzusprechen, das heute außerordentlich aktuell und schmerzlich ist. Nach dem Sturz der Regime, die auf den Ideologien des Bösen aufgebaut waren, haben in ihren Ländern die eben erwähnten Formen der Vernichtung de facto aufgehört. Was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung, die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaften und der gesamten Menschheit beruft. Und auch an anderen schweren Formen der Verletzung des Gesetzes Gottes fehlt es nicht. Ich denke z.B. an den starken Druck des Europäischen Parlaments, homosexuelle Verbindungen anzuerkennen als eine alternative Form der Familie, der auch das Recht der Adoption zusteht. Es ist zulässig und sogar geboten, sich zu fragen, ob nicht hier - vielleicht heimtückischer und verhohlener - wieder eine neue Ideologie des Bösen am Werk ist, die versucht, gegen den Menschen und gegen die Familie sogar die Menschenrechte auszunutzen. <ref>Johannes Paul II.: Erinnerung und Identität, Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Augsburg 2004, zit. n. S. 25f.</ref>"
  An diesem Punkt kann man es nicht unterlassen, ein Problem anzusprechen, das heute außerordentlich aktuell und schmerzlich ist. Nach dem Sturz der Regime, die auf den Ideologien des Bösen aufgebaut waren, haben in ihren Ländern die eben erwähnten Formen der Vernichtung de facto aufgehört. Was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung, die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaften und der gesamten Menschheit beruft. Und auch an anderen schweren Formen der Verletzung des Gesetzes Gottes fehlt es nicht. Ich denke z.B. an den starken Druck des Europäischen Parlaments, homosexuelle Verbindungen anzuerkennen als eine alternative Form der Familie, der auch das Recht der Adoption zusteht. Es ist zulässig und sogar geboten, sich zu fragen, ob nicht hier - vielleicht heimtückischer und verhohlener - wieder eine neue Ideologie des Bösen am Werk ist, die versucht, gegen den Menschen und gegen die Familie sogar die Menschenrechte auszunutzen. <ref>Johannes Paul II.: Erinnerung und Identität, Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Augsburg 2004, zit. n. S. 25f.</ref>"


Der ''Dritte Totalitarismus'' bzw. das ''Dritte Böse'' wurde in der Folge mit dem [[Anti-Genderismus|Gender-Mainstreaming]] gleichgesetzt: "Damit sind wir schon in der Gegenwart, der Ideologie des Bösen in Gestalt der [[Gender-Ideologie]], die alles durchdringen will. Sie kommt zu uns von einer Lobby der UNO, der wohl stärksten und reichsten NGO (Non Government Organization). Sie wurde als „Gender-Mainstreaming“ durch Kabinettsbeschluss am 23.Juni.1999 von der Rot-Grünen Regierung (Schröder Fischer) übernommen. So wurde eine radikal-feministische Ideologie als pflichtgemäße Vorgabe und Leitlinie für alle Bereiche in unserem Staat eingeführt. Karol Wojtyla hatte erkannt, dass die neue Ideologie des Bösen menschliches Leben genau an der Stelle zerstören will, wo es seinen Ursprung hat: bei der Liebe von Mann und Frau, der Zeugung und der Geburt, also Ehe und Familie. "<ref>[http://www.confessio-wue.de/fileadmin/confessio-wue/data/pdf/Wohin_sollen_wir_gehen.pdf Hans Lachenmann: "Wohin sollen wir gehen?"]</ref>
Der ''Dritte Totalitarismus'' bzw. das ''Dritte Böse'' wurde in der Folge mit dem [[Anti-Genderismus|Gender-Mainstreaming]] gleichgesetzt:  
"Damit sind wir schon in der Gegenwart, der Ideologie des Bösen in Gestalt der [[Gender-Ideologie]], die alles durchdringen will. Sie kommt zu uns von einer Lobby der UNO, der wohl stärksten und reichsten NGO (Non Government Organization). Sie wurde als „Gender-Mainstreaming“ durch Kabinettsbeschluss am 23.Juni.1999 von der Rot-Grünen Regierung (Schröder Fischer) übernommen. So wurde eine radikal-feministische Ideologie als pflichtgemäße Vorgabe und Leitlinie für alle Bereiche in unserem Staat eingeführt. Karol Wojtyla hatte erkannt, dass die neue Ideologie des Bösen menschliches Leben genau an der Stelle zerstören will, wo es seinen Ursprung hat: bei der Liebe von Mann und Frau, der Zeugung und der Geburt, also Ehe und Familie. "<ref>[http://www.confessio-wue.de/fileadmin/confessio-wue/data/pdf/Wohin_sollen_wir_gehen.pdf Hans Lachenmann: "Wohin sollen wir gehen?"]</ref>


==== "Sexueller Totalitarismus" oder "totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände" ====
==== "Sexueller Totalitarismus" oder "totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände" ====

Version vom 1. Mai 2018, 20:01 Uhr

Diskursatlas Antifeminismus
Diskursthema:
Sexualität Geschlecht
Bildung Gleichstellung Gewalt
Narrativ:
Totalitarismus

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Der Ausdruck Dritter Totalitarismus findet u.a. als antifeministisches Narrativ Anwendung in den Diskursthemen Geschlecht, Sexualität, Bildung, Gleichstellung und Gewalt.

Geschichte und Bedeutung des antifeministischen Narrativs Dritter Totalitarismus

Dritter Totalitarismus bezeichnet ein vermeintlich totales Herrschaftssystem, welches neben dem Faschismus und dem Stalinismus als neues, drittes System in Erscheinung getreten sei oder in Erscheinung treten könnte.

Dritter Totalitarismus wird zum einen auf das Feld "Terrorismus" / "Islamismus" / "terroristischer Islamismus" bezogen, zum anderen auf das Feld 68er-Bewegung / Political Correctness / Gender. In diesem Artikel wird der Begriff Dritter Totalitarismus in seiner antifeministischen Lesart behandelt.

Geschichte des antifeministischen Narrativs Dritter Totalitarismus

Anti-Revisionismus als Totalitarismus

Im Historiker-Streit der 1980er Jahre warf Jürgen Habermas Ernst Nolte "Revisionismus" vor. Nolte hatte mit rhetorischen Fragen den Nationalsozialismus als Reaktion auf den Stalinismus dargestellt. Karsten Fischer kritisierte bereits 1995 an Noltes Interpretation von Stalinismus und Nationalsozialismus: „Was Nolte mithin vorschwebt ist eine Totalitarismustheorie, die zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus stärker zu differenzieren vermag, auch wenn dies notwendigerweise zu Lasten der Trennschärfe zwischen Totalitarismen und liberaler Demokratie geht.“[1] Diese fehlende Trennschärfe ermöglichte es in der Folge, die Demokratie oder den Liberalismus als Totalitarismus darzustellen.

In der Neuen Rechten wurde Ende der 1990er Jahre der Revisionismus-Vorwurf selber als "Liberaler Totalitarismus" diffamiert. So fand in der von der neurechten Stiftung Förderstiftung konservative Bildung und Forschung bzw. von Caspar von Schrenck-Notzing finanzierten "Winterakademie" 1995/96 eine Vortragsreihe statt, deren Beiträge im Sammelband "Freiheit braucht Mut. Texte zur Winterakademie" von der Leiterin der Winterakademie, Regina von Schrenck-Neutzling, publiziert wurden. Die Beiträge zeigen die Verknüpfung der Kampagne gegen eine vermeintliche "Politische Korrektheit" mit der Warnung vor neuen "totalitären Tendenzen":[2]

  • Metamorphosen des Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Von der totalitären Diktatur zur „totalitären Demokratie"? (Klaus Hornung)
  • Der Mythos der einen Menschheit. Die Jahrtausendwende und ihre Visionen (Walter Hoeres)
  • Von der Demokratie zum Parteienstaat (Erwin K. Scheuch)
  • Der große Bürgerkrieg von gestern und die kleinen Bürgerkriege von heute und morgen (Ernst Nolte)
  • Die „Politische Korrektheit" gefährdet die Meinungsfreiheit. Totalitäre Tendenzen im Rechtsstaat (Gerard Radnitzky)

1997 hieß es dann in der neurechten Jungen Freiheit: In Deutschland entwickelte sich der Liberalismus zu einer "Form des Prangers", in der "mediale Hinrichtungen" exekutiert würden. Es sei "kein Wunder, daß diese sich selbst oft liberal nennende "wehrhafte" Pseudo-Liberalität häufig in der Nähe des Antifaschismus zu finden ist. Diese Art des Liberalismus ist jedoch nichts anderes als liberaler Totalitarismus." konstatierte Frank Liebermann.[3] Ein Jahr zuvor hatte die Junge Freiheit ihre PC - Nein Danke!-Kampagne gestartet[4] Die These vom neuen Totalitarismus verband sich in der Folge mit der Kampagne gegen eine vermeintliche Politische Korrektheit, die eine 'totalitäre Gleichschaltung' einfordere.

So fand sich die biologistische Metapher »Mehltau der Political Correctness« bei Wilfried Böhm 2001 in einem Beitrag in der neurechten Zeitung Ostpreußenblatt, der heutigen Preußische Allgemeine Zeitung (Selbstverständnis: »Daher gilt der Grundsatz preußisch korrekt statt politisch korrekt«[5]). Wifried Böhm schloss sich dort einem Artikel in der Welt am Sonntag vom 31. Dezember 2000 an, der die Verdienste von Arno Breker, Erwin Rommel, Ernst Jünger und Leni Riefenstahl hervorhob. Böhm beklagte, die "'Political Correctness', die wie Mehltau auf unser Land gelegt wurde", habe für die "vier großen Deutschen des vorigen Jahrhunderts" nur "kleinkarierte Beschimpfungen« übrig (Böhm 2001). Böhm war zeitweise Präsident der rechten Deutschland-Stiftung. Zu seinen Publikationen im Deutschland-Journal[6] zählte auch der Beitrag von 2002 unter der Überschrift "'Totalitärer Liberalismus' – Widerspruch in sich oder politischer Irrweg?". Bezugnehmend auf die 1993 erschienene Publikation »Das totalitäre Zeitalter. Bilanz des 20. Jahrhunderts« des neurechten Vordenkers Klaus Hornung schrieb Wilfried Böhm:

"'Ein dezidiert sozialistisches Denken (gleichermaßen ob als National- oder  International-Sozialismus) tendiert stets zum totalitären Pol der Demokratie‹ (Hornung). Hier lauere die Gefahr, daß die freiheitliche Demokratie mit ihrem antitotalitären Grundkonsens in eine 'anti faschistisch-demokratische Ordnung' transferiert werde […] Der Begriff der Political Correctness, der aus den Vereinigten Staaten kam, und vom Ursprung her Minderheiten schützen sollte, sei insbesondere in Deutschland totalisiert worden und habe die Bedeutung von 'moralischer Korrektheit' bekommen. Das habe mit sachlicher und intellektueller Korrektheit nichts zu tun, 'sondern viel mit 'Gesinnungsdiktatur'. Wenn beispielsweise vor drei Jahren 70 Prozent der deutschen Bevölkerung die fortdauernde Einwanderung von Asylanten ablehnen, Politik und Medien sich aber gleichzeitig über den Willen des Volkssouveräns hinwegsetzen und zugleich das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt, daß 61 Prozent der Deutschen (66 Prozent im Westen, 42 Prozent im Osten) angeben, Asylanten seien ein 'heikles Thema, bei dem man sich leicht den Mund verbrennen kann, wenn man darüber spricht', dann bestätigt dieser 'deutsche Sonderweg' den Hinweis Hornungs auf eine 'Gesinnungsdiktatur'. [...] Totalitär-liberale Political Correctness in Verbindung mit dem antifaschistischen Ideologiestaat sind eine reale Gefahr für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat Deutschland." [7]

2014 verlas Wilfried Böhm die vom erkrankten Historiker Ernst Nolte geschriebene Laudatio auf Stefan Scheil. Ernst Nolte lobte den Preisträger der Erich und Erna Kronauer Stiftung mit den Worten:

"Aber revidiert werden nicht nur bekannte Thesen der Alliierten, sondern einige Annahmen der nationalsozialistischen Geschichtsschreibung, und mit einem Körnchen Salz könnte man von einem 'doppelten Revisionismus' sprechen. Auch dem Antirevisionismus, der heute in Deutschland vorherrschenden öffentlichen Meinung, wird keineswegs nur polemische Aufmerksamkeit geschenkt. Ganz eindeutig kritisiert wird indessen die immer wieder hervortretende Tendenz, den menschlichen Feind zu dem 'absoluten Bösen' zu zählen, denn die führt zwangsläufig zu jener neuartigen Gestalt des 'liberalen' oder pseudo-liberalen Totalitarismus, der in der Bundesrepublik Deutschland unübersehbar in Erscheinung tritt."[8][9]

"Historischer Auftrag der AfD"

Während eines Impulstreffens der thüringischen AfD Ende 2013 nahm der neurechte Theoretiker Günter Scholdt die Formulierungen "Mehltau der Politischen Korrektheit" in Verbindung mit der "Totalitarismus"-These wieder auf und entwickelte hieraus die "historische Mission der AfD": "Hier liegt das Vakuum, das von der AfD mit größerer Berechtigung besetzt werden sollte. Hier zeigt sich ihre historische Aufgabe und Chance. Denn zu den gravierendsten Konfliktfeldern dieser Republik gehört die Frage nach tatsächlicher Meinungsfreiheit. Nach Kommunismus und Nationalsozialismus dämmert hier innerhalb eines knappen Jahrhunderts langsam bereits der dritte Totalitarismus herauf, getarnt als universalistische Toleranz, Emanzipation, Antidiskriminierung oder ›herrschaftsfreier Diskurs." [10]

Der Fraktionsvorsitzende und Sprecher der AfD Thüringen, Björn Höcke griff in der Folge häufiger die Formulierungen Scholdts zur Bestimmung der Zielsetzung der AfD auf.

"Dritte Ideologie des Bösen"

Parallel zur Neuen Rechten sprach auch Papst Johannes Paul II. in einem Interview davon, ob heute "nicht eine andere Form von Totalitarismus" existiere.[11] Mit der Buchveröffentlichung löste Papst Johannes Paul II. viel Verärgerung aus, es war auch von "Volksverhetzung" die Rede. Vor allem die folgenden Passagen wurden als bedenklich eingestuft:[12]

"Wenn der Mensch allein, ohne Gott, entscheiden kann, was gut und was böse ist, dann kann er auch verfügen, dass eine Gruppe von Menschen zu vernichten ist. Derartige Entscheidungen wurden z.B. im Dritten Reich gefällt von Menschen, die, nachdem sie auf demokratischen Wegen zur Macht gekommen waren, sich dieser Macht bedienten, um die perversen Programme der nationalsozialistischen Ideologie zu verwirklichen, die sich an rassistischen Vorurteilen orientierten. Vergleichbare Entscheidungen wurden in der Sowjetunion und in den der marxistischen Ideologie unterworfenen Ländern auch von der kommunistischen Partei getroffen.[...]
An diesem Punkt kann man es nicht unterlassen, ein Problem anzusprechen, das heute außerordentlich aktuell und schmerzlich ist. Nach dem Sturz der Regime, die auf den Ideologien des Bösen aufgebaut waren, haben in ihren Ländern die eben erwähnten Formen der Vernichtung de facto aufgehört. Was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung, die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaften und der gesamten Menschheit beruft. Und auch an anderen schweren Formen der Verletzung des Gesetzes Gottes fehlt es nicht. Ich denke z.B. an den starken Druck des Europäischen Parlaments, homosexuelle Verbindungen anzuerkennen als eine alternative Form der Familie, der auch das Recht der Adoption zusteht. Es ist zulässig und sogar geboten, sich zu fragen, ob nicht hier - vielleicht heimtückischer und verhohlener - wieder eine neue Ideologie des Bösen am Werk ist, die versucht, gegen den Menschen und gegen die Familie sogar die Menschenrechte auszunutzen. [13]"

Der Dritte Totalitarismus bzw. das Dritte Böse wurde in der Folge mit dem Gender-Mainstreaming gleichgesetzt:

"Damit sind wir schon in der Gegenwart, der Ideologie des Bösen in Gestalt der Gender-Ideologie, die alles durchdringen will. Sie kommt zu uns von einer Lobby der UNO, der wohl stärksten und reichsten NGO (Non Government Organization). Sie wurde als „Gender-Mainstreaming“ durch Kabinettsbeschluss am 23.Juni.1999 von der Rot-Grünen Regierung (Schröder Fischer) übernommen. So wurde eine radikal-feministische Ideologie als pflichtgemäße Vorgabe und Leitlinie für alle Bereiche in unserem Staat eingeführt. Karol Wojtyla hatte erkannt, dass die neue Ideologie des Bösen menschliches Leben genau an der Stelle zerstören will, wo es seinen Ursprung hat: bei der Liebe von Mann und Frau, der Zeugung und der Geburt, also Ehe und Familie. "[14]

"Sexueller Totalitarismus" oder "totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände"

Im März 2009 war die dem Utrakatholizismus nahestehende Aktivistien Gabriele Kuby zur Winterakademie nach München zu einem Vortrag mit dem Thema "Gender Mainstreaming - Ausgeburt des Feminismus" eingeladen worden.[15] Die Kreise zwischen den christlich-fundamentalistischen und den neurechten Diskursen über einen "neuen Totalitarismus" schlossen sich, denn in dieser Winterakademie wurde zwölf Jahre zuvor das Konzept des "Dritten Totalitarismus" mitentwickelt (siehe oben).

Gabriele Kuby sprach wenige Jahre nach der Veröffentlichung des Papst-Interviews und zwei Monate nach ihrer Einladung in der neurechten Winterakademie, im Mai 2009, von einem "Sexuellen Totalitarismus"[16] Im selben Zusammenhang wurde die Marburger Erklärung „Für Freiheit und Selbstbestimmung – gegen totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände“ veröffentlicht.[17]

Auch die Salzburger Erklärung der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften (IKGB) greift den Diskurs des Totalitarismus auf. Es heißt dort in Punkt 17:

„In den letzten 20 Jahren war und ist es vor allem die Ideologie des Genderismus, die in Fortsetzung und Radikalisierung der Überzeugungen des Feminismus und der Homosexuellenbewegung die Axt an das jüdisch-christliche Menschenbild gelegt hat, indem sie die für die Bibel fundamentale Zweigeschlechtlichkeit des Menschen und damit die Polarität von Mann und Frau bestreitet und diese Verneinung der Geschlechtlichkeit nun in Form der sog. 'Gender-Mainstreaming'- Programmatik in einer geradezu totalitären Weise weltweit durchzusetzen sucht.“[18]

Bedeutung des antifeministischen Narrativs Dritter Totalitarismus

Es handelt sich beim antifeministischen Narrativ Dritter Totalitarismus vor allem um eine Zuspitzung der Anti-PC-Strategie, die bereits in den 1990er entwickelt wurde. Im Narrativ des Dritten Totalitarismus treffen verschiedene Erzählungen aufeinander wie bspw. Ernst Noltes Bemerkung zum "pseudo-liberalen Totalitarismus" und Papst Johannes Paul II. Rede vom dritten "Bösen".

Das Konzept des "Dritten Totalitarismus" wird auch auf die Sprache angewandt. Beispielsweise spricht Alexander Kissler im Focus vom "totalitären System der Gender-Dogmatiker" und bezieht sich dabei auf Bernhard Lassahn. In diesem Zusammenhang ist von der "Gewalt der Begriffsverbiegung" und "Sprachfolter" die Rede.[19]

Äußerungen im antifeministischen Narrativ Dritter Totalitarismus

  • Erwiderung von Björn Höcke im Landesparlament Thüringen auf die Regierungserklärung von Bodo Ramelow im Dezember 2014: »Mit ihrem Ansatz der Früh- und Hypersexualisierung rauben Sie unseren Kindern ihre unbeschwerte Kindheit. Wer es wagt, die Seele unserer Kinder anzurühren, wird mit unserem entschlossenen Widerstand rechnen müssen. Auch dem Gender-Totalitarismus, dieser Fehlgeburt des Behaviorismus, werden wir die Stirn bieten. Nach der politischen Revolution und der Kulturrevolution versuchen Sie es jetzt mit der anthropologischen Revolution. Hauptsache man kann Ungleiches gleichschalten und Bewährtes zerstören, nicht wahr? Was Sie mit Ihrem Körper machen, ist mir völlig egal. Aber versuchen sie Ihre dekadente Desorientierung nicht als allgemeine Erziehungsmaxime zu verkaufen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die Einführung des Gleichstellungsausschusses ein Fehler war. Die einseitige Bevorzugung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts führt zu weiterer negativer Diskriminierung. Es werden nicht nur Männer einzig wegen ihres Geschlechts von Posten ausgeschlossen, nein, es wird die Autorität von leistungsstarken Frauen in verantwortungsvollen Positionen untergraben. Starke Frauen brauchen keine Quote!« [20]
(siehe auch Narrative: Frühsexualisierung, Hypersexualisierung, Kindesmissbrauch, Behaiviorismus, Gleichheitswahn, Gleichschaltung, Dekadenz, Gleichstellung als Diskriminierung, Negative Diskrimierung, Starke Frauen brauchen keine Quote)
  • In einem "Kurz-Info" zum "Gender-Mainstreaming" des maskulinistischen Vereins Agens e. V. ist zu lesen: "GM [Gender-Mainstreaming] hat sich unbemerkt zu einer Staatsideologie unter dem Deckmantel von „Gleichstellung“ von Mann und Frau etabliert. Es wurde zum Hauptinstrument für reine Frauenförderung vor allem im öffentlichen Dienst und an den Hochschulen, sowie für die Umerziehung in den Schulen. [...] Die Öffentlichkeit nimmt von Gender Mainstreaming (GM) nur Einzelthemen wie Frauenquote, Frühsexualisierung, Gendersprache usw. wahr. Hinter GM steht aber ein allumfassendes Programm mit totalitärem Anspruch. [...] Gender Neusprech: Feministisch orientierte und verordnete Sprachverunstaltung, die unser Denken demgemäß prägen soll"[21]
(siehe auch Narrative Umerziehung, Gender-Ideologie, Frühsexualisierung, Neusprech)
  • Vera Lengsfeld schrieb in ihrer Grußbotschaft zur rechten Frauen-Demonstration in Kandel Ende Januar 2018: "Sie stehen hier, weil sie sich diesen moralischen Totalitarismus nicht mehr bieten lassen wollen. Sie wissen, dass sie sich selbst helfen müssen, denn es wird niemand anderes für sie tun. Sie sind hier, obwohl sie wissen, dass sie wieder als „Rechte“ und „Rassisten“ beschimpft werden. Aber sie ahnen, dass die Angst, als rechts diskriminiert zu werden, nichts ist im Vergleich zu dem, was auf uns zukommt, wenn wir den Verantwortlichen für die Destabilisierung unseres Landes und die Gefährdung unserer Zukunft nicht in den Arm fallen. Cottbus hat den Anfang gemacht, Kandel ist gefolgt, demnächst wird es Demonstrationen in Bottrop und Berlin geben. Ich wünsche mir, dass der Funke von Kandel überspringt und einen Flächenbrand erzeugt. 1989 ist es den DDR-Bürgern gelungen, ein bis an die Zähne bewaffnetes Regime loszuwerden. Es sollte auch möglich sein, eine Gesinnungsdiktatur zur Räson zu bringen. Das ist, um ausnahmsweise unsere Kanzlerin zu zitieren, alternativlos!"[22]
(siehe auch Narrativ: Gesinnungsdiktatur)
  • Martin Lichtmesz schrieb im Dezember 2015 im neurechten Magazin Sezession des Instituts für Staatspolitik: "»Anonymous Conservative« sieht auch eine Korrelation zwischen einer unterentwickelten Amygdala und dem »r-Typus« der Populationsökologie, der eine Fortpflanzungsstrategie verfolgt, die auf extremer Quantität beruht. Dazu gehören Eigenschaften wie verminderte Wettbewerbsfähigkeit (diminished competitiveness), frühe sexuelle Reife, Promiskuität und niedriger Elternaufwand (low investement parenting), worin man unschwer Elemente der Misere erkennen kann, die eine »befreite« Sexualität in der westlichen Welt angerichtet hat. Die menschliche Zivilisation beruhe nun allerdings auf der entgegengesetzten, auf Qualität ausgerichteten K-Strategie, deren psychologische Züge die folgenden wären: Adaption an eine Umgebung, in der Ressourcen knapp sind, daher Erziehung zur Askese und zum Triebverzicht; späte sexuelle Reife; Monogamie; Förderung der Wettbewerbsfähigkeit; starke Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe – also Dinge, die der »Fitness« der Nachkommen und der Optimierung ihres Genpools dienen. Ich zitiere diese evolutionspsychologischen Thesen mit allem Vorbehalt gegenüber biologischen Analogien zwischen Tier- und Menschenreich. Als symbolisches Bild, um die laufende Auflösung Deutschlands und Westeuropas zu erfassen, eignen sie sich aber verblüffend gut. Gerade in den am stärksten degenerierten Ausformungen der Linken kann man etwa folgende eigentümliche Mischung beobachten: der Haß auf die Geschlechterunterschiede und die Feminisierung des Männlichen (Pirinçci spricht von »Verschwulung«), die Politik der totalen sexuellen Liberalisierung und ein ausgeprägt infantiler Habitus gehen Hand in Hand mit der Feindschaft gegen jegliche Form von Grenzen und Begrenzungen, einem Haß auf das Eigene und einer übersteigerten Xenophilie: Die Nivellierung der Gesellschaft und die Selbstaufgabe gegenüber den Forderungen des »Anderen« sind eins. Was sich in den Grünen als Speerspitze der Dekadenz manifestiert, ist nichts anderes als das Extrem einer quer durch alle Parteien und Schichten verbreiteten Mentalität."[23]
(siehe auch Narrative Europäische Hochkultur, Promiskuität, Niedergang der Nation, Dekadenz, Männlicher Selbsthass, Frühsexualisierung)
  • Im zentralen Artikel zum Titelthema der ZEIT vom 5.April 2018 („Schäm dich, Mann!“) bezeichnete Jens Jessen den vermeintlich „neuen Feminismus“ der #MeToo-Kampagne als „totalitär“ und zog Vergleiche mit den stalinistischen Schauprozessen und dem NS-Volkssturm heran: „Das System der feministischen Rhetorik folgt dem Schema des bolschewistischen Schauprozesses, nur dass die Klassenzugehörigkeit durch die Geschlechterzugehörigkeit ersetzt ist. So oder so steht die Schuldigkeit schon durch Herkunft fest. […] Für einen trügerischen Moment haben wohl ein paar Naive (darunter ich) gedacht, es gehe [bei #MeToo] tatsächlich um das Abstellen grober Missstände und das Ende von Gewalt gegen Frauen. Zu spät haben sie die Ausweitung der Kampfzone, die ideologische Totalität des neuen Feminismus erkannt. […] Aber worauf wollen die Aktivistinnen der #MeToo-Bewegung mit ihrem neuen feministischen Volkssturm hinaus, diesem Zusammentreiben und Einsperren aller Männer ins Lager der moralisch Minderwertigen? […] Das uralte, fast vergessene Instrument der sozialen Ächtung wurde wieder ausgegraben und entrostet; und siehe da, es glänzt und schneidet scharf wir vor zweihundert Jahren. […] Und wie die Kommunisten an den unaufhaltsamen Sieg der Arbeiterklasse glaubten, glauben die Feministinnen an den Sieg des weiblichen Geschlechts über seinen Erbfeind, den Mann. […] So geht es auch heute nicht um die Gleichberechtigung der Frauen, sondern um den ideologischen Triumph des totalitären Feminismus.“[24]
(siehe auch Narrativ Gender-Ideologie)
  • Im Interview mit Andreas Lombard im neurechten Magazin Cato äußert sich Gloria von Thurn und Taxis folgendermaßen: „Es gibt Perioden, da scheint der Teufel fröhliche Urstände zu feiern, dann gibt es Zeiten, da er zurückgedrängt wird und vorsichtiger agieren muss. […] Genau hier ['Ehe für alle', hohe Scheidungs- und Abtreibungszahlen, 'Recht auf Kinder'] sehe ich die Handschrift des Durcheinanderbringers und Verwirrers. Das ist seine ureigenste Aufgabe. [...] Geht alles auf das Konto des Durcheinanderbringers: Auf der einen Seite wird durch Frühsexualisierung 'Frischfleisch' gezüchtet. Aber wenn sich jemand daran vergreift, schreit die Gesellschaft auf, und die Täter werden auf ewig verdammt. Verwirrend. […] Heute sind wir auf dem Weg in eine stramme, puritanische, selbstreferentielle, totalitäre Gesellschaft mit Denk- und Sprechverboten.“[25]
(siehe auch Narrative Frühsexualisierung, Kindesmissbrauch)

Verkettung mit anderen antifeministischen Narrativen

Die oben genannten Äußerungen zeigen, dass das Narrativ Dritter Totalitarismus mit folgenden Narrativen verkettet ist, die ebenfalls als „antifeministisch“ identifiziert wurden. Hierbei ist zu beachten, dass ein Ausdruck verschiedene Bedeutungen haben und für verschiedene Erzählungen - also für verschiedene Narrative - stehen kann. Daher findet hier nicht der Ausdruck an sich, sondern eine bestimmte Lesart dieses Ausdruck, ein bestimmtes Narrativ, nämlich das antifeministische Narrativ, Beachtung.

Literatur

  • Böhm, Wilfried (2001): Zuhause gelten Propheten nichts. Josef Nyarys Rettungsversuche, in: Ostpreußenblatt vom 13. 1. 2001, Link
  • Böhm, Wilfried (2002): »Totalitärer Liberalismus« – Widerspruch in sich oder politischer Irrweg?, in: Deutschland Journal – Jahresausgabe 2002, PDF
  • Johannes Paul II. (2004): Erinnerung und Identität, Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Augsburg
  • Stefan Möller (1999): Sexual Correctness. Die Modernisierung antifeministischer Debatten in den Medien, Opladen
  • Nolte, Ernst (2014): Laudatio auf Stefan Scheil Link

Einzelnachweise

  1. Karsten Fischer: Demokratie und Totalitarismustheorie in Noltes Geschichtsschreibung, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 23. Jahrgang – 1995 Heft 4, S. 587
  2. Regina von Schrenck-Neutzling (Hrsg.) (1997): Freiheit braucht Mut. Texte zur Winterakademie, München
  3. Frank Liebermann:Liberaler Totalitarismus, in: Junge Freiheit vom 29.08.1997
  4. Stefan Möller (1999): Sexual Correctness. Die Modernisierung antifeministischer Debatten in den Medien, Opladen S.75 Anm. 71
  5. Internetpräsenz der Preußischen Allgemeinen: Wer wir sind
  6. Herausgeber: Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG)
  7. http://www.deutschlandjournal.de/Deutschland_Journal_-_Jahresau/Deutschland_Journal_-_Jahresau/Totalitarer_Liberalismus.pdf Böhm, Wilfried (2002): »Totalitärer Liberalismus« – Widerspruch in sich oder politischer Irrweg?, in: Deutschland Journal – Jahresausgabe 2002]
  8. Ernst Nolte, (2014): Laudatio auf Stefan Scheil, in: Internetpräsenz der Erich und Erna Kronauer Stiftung
  9. Siehe auch:Andreas Kemper: »… die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden«. Die Differenz von Konservativismus und Faschismus am Beispiel der »historischen Mission« Björn Höckes (AfD), Thüringen Februar 2016, Kapitel Die »historische Mission der AfD«: Deutschland vom »Mehltau« des »PC-Totalitarismus« befreien, S. 17-24
  10. Scholdt: Die historische Mission der AfD/Ratschlag von außen – ein Vortrag von Prof. Dr. Scholdt am 7. 12. 13 während des Impulstreffens der AfD-Thüringen, in: Internetseite der AfD-Thüringen vom 12. 12. 2013
  11. Johannes Paul II.: Erinnerung und Identität, Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Augsburg 2004, zit. n. S. 68.
  12. RP-Online: "Ideologie des Bösen". Zoff um Papst-Buch
  13. Johannes Paul II.: Erinnerung und Identität, Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Augsburg 2004, zit. n. S. 25f.
  14. Hans Lachenmann: "Wohin sollen wir gehen?"
  15. AID-Archiv, 17.03.2009: Rechte "Winterakademie" im Münchner Hotel "Eden-Wolff"
  16. Gabriele Kuby: Sexueller Totalitarismus, in: Homepage von Gabriele Kuby vom 19.05.2009
  17. Pressemitteilung und Marburger Erklärung
  18. Internetpräsenz der IKGB: Salzburger Erklärung
  19. Alexander Kissler: Kisslers Konter. Die Herren Professorinnen – Sprachfolter an Uni Leipzig, in: Focus vom 13.06.2013
  20. bjoern- hoecke- aufdie-regierungserklaerung-von-bodo-ramelow-im-wortlaut-12-12-14/ Höcke, Björn (2014): Erwiderung von Björn Höcke auf die Regierungserklärung von Bodo Ramelow im Wortlaut (12. 12. 2014), in: Internetpräsenz der Alternative für Deutschland LV Thüringen vom 19. 12. 2014
  21. Agens: Gender Mainstreaming. Kurzinfo, PDF vom 10.12.2014
  22. Vera Lengsfeld: Wir werden nicht mehr kriechen! Grußwort für die Frauendemo in Kandel, in: Blog von Vera Lengsfeld am 28.01.2018
  23. Martin Lichtmesz: Deutschland im falschen Film, in: Sezession vom 01.12.2015
  24. Jens Jessen: Der bedrohte Mann, in: ZEIT vom 05.April 2018, S. 54f.
  25. Gloria von Thurn und Taxis: 'Ich bin es gewohnt, ehrlich antworten zu dürfen'. Im Interview mit Andreas Lombard, in: Cato. Magazin für neue Sachlichkeit, Nr. 3 / 2018, S. 13-20