Niedergang der Nation: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. März 2018, 14:05 Uhr

Diskursatlas Antifeminismus
Diskursthema:
Bevölkerung
Narrativ:
Niedergang der Nation

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(Bitte Rubrik Antifeminismus anwählen)

Der Ausdruck Niedergang der Nation findet als antifeministisches Narrativ im Diskursthema Bevölkerung Anwendung.

Geschichte und Bedeutung des Narrativs Niedergang der Nation

Das antifeministische Narrativ Niedergang der Nation wurde um die Jahrhundertwende 1900 entwickelt. Claudia Bruns stellt in ihrem Buch Die Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880-1934) eine Verknüpfung von Untergangsvisionen der Nation mit einer "Verweiblichung" der Gesellschaft fest:

"Im Fin de siècle des Deutschen Kaiserreiches mehrten sich die Phantasien einer apokalyptisch bedrohlichen Weiblichkeit. Die zunehmende 'Vermassung' modernen Gesellschaft beschrieb Gustave Le Bons La Psychologie des Foules (1895) zugleich als Verweiblichung der Lebenswelt im Signum der Sphinx. Otto Weiningers aufsehenerregendes Werk über Geschlecht und Charakter (1903) verband den Untergang der Welt mit einer von Frauen bewusstlos und epidemisch verbreiteten Geschlechtlichkeit. Oswald Spenglers monumentale Kulturgeschichte vom Untergang des Abendlandes (1918-1922) imaginierte schließlich das Ende der Welt als Rückkehr in den Schoß der Frau. Aus tausendjährigem Licht sei der Kultur 'wieder in das Dunkel urseelenhafter Mystik, in den Mutterschoß, ins Grab zurück[gesunken]'. Zugleich nahmen auch der Osten Asien und der Tod im Diskurs der bedrohlichen Weiblichkeitsphantasmen eine feminine Identität an.“[1]

Das Narrativ der "Verweiblichung" der Gesellschaft als Ursache für den Niedergang der Nation geht einher mit der Warnung vor einer Verschwulung der Gesellschaft. Im Artikel The Decline of Gayropa wird dargestellt, dass vor allem in der Russischen Förderation ein Diskurs über den Niedergang westeuropäischer Nationen aufgrund der Dominanz einer Homolobby geführt wird. Westeuropa wird in diesem Diskurs als Gayropa bezeichnet.[2]

Äußerungen im Narrativ Niedergang der Nation

  • Interview mit dem AfD-Vorsitzenden von Thüringen, Björn Höcke, im Sommer 2014 im Arnstädter Stadtecho: »Die Altparteien sprechen immer beschwichtigend von einem ›demographischen Wandel‹, den man begleiten müsse. Mit Verlaub, das ist dümmliches Geschwätz. Thüringen befindet sich mitten in einer demographischen Katastrophe. [...] Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, diesen Niedergang aufzuhalten. Wir dürfen uns nicht scheuen, eine aktive Bevölkerungspolitik zu betreiben. [...] Wichtiger als finanzielle Zuwendungen ist aber ein Wertewandel. Die klassische Familie ist ohne Wenn und Aber zum gesellschaftlichen Leitbild zu erheben. Wir wollen den Egoismus überwinden und wieder ein gemeinschaftsorientiertes Werte-, Sitten- und Normengefüge leben. Die Keimzelle der Gemeinschaft ist die Familie.« [3]
(siehe auch Narrative: Demografische Katastrophe, Klassisische Familie, Keimzelle der Nation)
  • In einer Weihnachtsansprache im Dezember 2014 beim Weihnachtsfest der Jungen Alternative forderte Björn Höcke: »Ein Staat, der so auf der Kippe steht, was das eigene Reproduktionsverhalten der Bevölkerung angeht, der muss doch, wenn er noch irgendwo an Selbsterhalt und Zukunft denkt […] dann müsste er doch das Geld dahin investieren, wo er die Gewissheit hat, dass in den zentralen Bereichen der Zukunftsfähigkeit das Geld hinkommt, also in die Verbindung von Frau und Mann.« (Björn Höcke)[4]
(siehe auch Narrative: Komplementarität der Geschlechter)
  • Hans-Thomas Tillschneider behauptet, "dass die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in allen Kulturen und Zeiten zwar qualitativ höchst unterschiedlich war – Frauen hatten andere Rechte und Pflichten als Männer –, dass aber die Verteilung von Rechten und Pflichten, von Privilegien und Lasten, immer ausgeglichen und gerecht war. [...] Scheidungen und Trennungen sollten rechtlich erschwert, die Gründung von Familien mit Kindern erleichtert werden. Die herrschende Politik verklärt den beschleunigten Verfall unserer Gesellschaft mit Schwachsinnsbegriffen wie „Regenbogenfamilie“ oder „Patchworkfamilie“. Familie ist die Ehe aus Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen, und sonst nichts." Hans-Thomas Tillschneider[5]
(siehe auch Narrative: Komplementarität der Geschlechter)
  • Im Internetauftritt Philosophia Perennis vom Juni 2017 behauptet Michael van Laack: "Rom, das mächtige Rom ist seinerzeit nicht zerfallen, weil seine äußeren Feinde es bedrängten, sondern weil es im Inneren in allen Bereichen der Gesellschaft dekadent und schwach wurde. Weil es alle alles sein ließ. Vielsprachig, multikulturell, multireligios. All das hält eine Gesellschaft und ein Staatengebilde über einen gewissen Zeitraum aus. Dann aber kommt der Niedergang. Rasch, aber nicht lautlos und noch weniger schmerzfrei. WIDER DIE RÖMER, die uns ins Verderben führen wollen. – Die Ehe für alle ist Gift für den Fortbestand jeder Gesellschaft; jegliches „Minderheiten auf Augenhöhe stellen“ ist der Tod der Majoritäten."[6]
(siehe auch Narrative Dekadenz, Lautstarke Minderheiten)
  • Ferdinand Knauß schrieb 2014 in der WirtschaftsWoche: "Andere Länder stemmen sich mit aller Kraft gegen den demografischen Niedergang. Doch Deutschland bleibt blind auf Katastrophenkurs. Vermutlich beendet erst der Zusammenbruch des Rentensystems den Gebärstreik der Deutschen. [...] Die Zahl der Kinder zu erhöhen, ist kein politisches Ziel der Bundesregierung. Manuela Schwesig, die Familienministerin, hat mehrfach deutlich gemacht, dass Geburtenzahlen nicht im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stehen. Sie will als Gleichstellerin wahrgenommen werden. [...] Eine Generation, die derart in Saus und Braus leben kann, wie die heute über 50-Jährigen, gab es nie in der Geschichte und wird es nie wieder geben. [...] Der Rentenstaat hat ein Lebensmodell möglich gemacht, das zuvor der totalen Erniedrigung gleichkam [...] Das Alterselend der Kinderlosen wurde nach Bismarck mit jedem Ausbauschritt der Rentenversicherung weniger drohend. Natürlich blieb Kinderlosigkeit zunächst ein Makel. Soziale Prägungen halten lange vor. Aber die Menschen merkten über die Jahrzehnte, dass keine Kinder zu haben dank Rente eine Alternative ist, die zumindest finanziell sehr attraktiv ist. [...] Für den abnehmenden Fortpflanzungswillen mögen durchaus auch noch ein paar gewichtige andere Faktoren jenseits der Aufmerksamkeit des Ökonomen eine Rolle spielen. Zum Beispiel der Niedergang der Religion in der westlichen Welt. Aber solche weichen Faktoren liegen auch nicht als bevölkerungspolitischer Hebel in der Hand der Politik. [...] Vielleicht wird für künftige Generationen angesichts zusammengebrochener staatlicher Sicherungssysteme, ein Leben ohne eigene Kinder wieder das werden, was es jahrhundertelang war: ein wenig erstrebenswertes Lebensmodell." [7]
(siehe auch Narrative Demographische Katastrophe, Luxusproblem Gender, Rentenstaat)

Verkettungen mit anderen antifeministischen Narrativen

Die oben genannten Äußerungen zeigen, dass das Narrativ „Niedergang der Nation“ mit folgenden Narrativen verkettet ist, die ebenfalls als „antifeministisch“ identifiziert wurden. Hierbei ist zu beachten, dass ein Ausdruck verschiedene Bedeutungen haben und für verschiedene Erzählungen - also für verschiedene Narrative - stehen kann. Daher findet hier nicht der Ausdruck an sich, sondern eine bestimmte Lesart dieses Ausdruck, ein bestimmtes Narrativ, nämlich das antifeministische Narrativ, Beachtung.

Literatur

  • Claudia Bruns (2008): Die Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880-1934), Köln/ Weimar/ Wien
  • Oleg Reibov / Tatiana Riabova (2014): The decline of Gayropa? How Russia intends to save the world, in: Eurozine vom 05.02.2014 Link (abgerufen am 23.12.2017)

Einzelnachweise